Die bretonischen Inseln in vier Tagen
Mittels pc_met checken wir noch mal die Route. In Westfrankreich ist das Wetter traumhaft und von einem Hoch geprägt, das auch die kommenden Tage anhalten soll. Ein Flug wäre also möglich, wenn wir denn irgendwie aus Worms wegkämen und es bis hinter Paris schafften. Es ist einer dieser Momente, in denen ich froh bin, nicht nur über solide IFR-Erfahrungen aus dem Beruf, sondern mit meiner M20K Turbo Mooney auch über das passende Fluggerät zu verfügen. Die Strecke südlich an Luxemburg vorbei, weiter nach Troyes, Tours und nach Nantes ist schnell identifiziert. Sie ist leider nicht die direkte und wir machen uns angesichts eines Bummelstreiks der französischen Lotsen auch keine Hoffnungen auf viele Abkürzungen.
Eurocontrol akzeptiert unseren Plan problemlos. Wir beladen die Maschine mit Kartenmaterial und unseren Reisetaschen, tanken noch etwas nach und sind eine halbe Stunde später in der Luft. Werner hatte bis vor kurzem selbst eine Mooney und freut sich daher riesig, mal wieder in einer der texanischen „Rennmaschinen“ zu sitzen.
In 2.500 Fuß fliegen wir in IMC ein. Der Regen nimmt leicht zu, aber unsere Maschine lässt sich davon nicht stören und klettert rasch über das Grau hinweg, so dass wir in FL 80 bereits in schönstem Sonnenschein unterwegs sind. Wie erwartet gibt es in unserer Reiseflughöhe von FL 100 kaum Abkürzungen, in einer Art S-Kurve geht es in Frankreich weiter. Frühzeitig beginnen wir den Sinkflug, geraten unter die Wolkendecke, die sich auch etwas westlich von Paris noch hält, und sind dann in FL 70 „clear of clouds“. Wir haben einen wunderschönen Blick auf das grüne Tal der Loire, die Sichten sind bestens, und obwohl wir immer noch radargeführt werden, dürfen wir jetzt beliebige Kurse Richtung Airport einnehmen und bekommen die Freigabe zu einem Sichtanflug auf Nantes.
Nantes ist Airbus-Produktionsstandort. Wir sehen den weißen Transporter-„Wal“ in der Nähe vorbeirollen. Für uns ist der große Platz allerdings nur gut für einen Tankstopp. Wir machen die beiden Flächen randvoll, denn während der kommenden Tage wird es kein Avgas geben.
Unsere Ziele auf dieser Tour heißen Île d’Yeu, Belle Île und Île d’Ouessant. Während die Île d’Yeu streng genommen nicht mehr zur Bretagne gehört, passt sie dennoch wunderbar in unsere Reiseroute. Sie ist außerdem die am weitesten vom französischen Festland entfernt liegende besiedelte Insel (von den Übersee-Départements einmal abgesehen), wobei die Entfernung mit rund 15 Seemeilen relativ ist. Mit der Mooney ist es nur eine gute Viertelstunde von Nantes aus. Als wir in Nantes abheben, kommt die Küste schnell in Sicht, und wir überfliegen in 4.500 Fuß die schön sichtbaren Austernbecken der Île de Noirmoutier, die berühmt ist für ihr Meeresgetier.
Île d’Yeu
In schönstem Abendlicht kommt dann die Île d’Yeu in Sicht. Eine Schnellfähre fährt uns vom Inselhafen Richtung Festland entgegen. Wir sind bereits in Funkkontakt mit dem Türmer der 1.230-Meter-Bahn, entscheiden uns aber für ein kleines Insel-Sightseeing, bevor wir zur Landung ansetzen. Drei Hauptorte machen wir aus, unterbrochen immer wieder von kleinen Ansiedlungen und einsamen Buchten. Eine dieser Buchten, die wir im Endanflug im Blick haben, ist zu einem kleinen Hafen ausgebaut und wird von einer Burg bewacht. Kurze Schrecksekunde beim Aufsetzen: Die Inselmöwen sind nicht nur ziemlich groß, sondern auch ziemlich träge. Sie machen für den Konkurrenten aus Metall erst im letzten Moment die Landebahn frei.
Auf der Parkfläche sind wir nicht die einzigen, und nachdem wir unsere Maschine verzurrt haben, werden wir auch schon im Fliegerclub willkommen geheißen.
Eine Unterkunft haben wir mit freundlicher Hilfe des Flugleiters schnell gefunden. Das Hotel L’Escale liegt direkt im Zentrum des Hauptortes und drei Minuten vom Hafen mit seinen vielen Restaurants entfernt. Werner und ich entscheiden uns für ein Lokal mit der Spezialität „Meeresfrüchte“ und werden nicht enttäuscht. Auch der Rosé ist vorzüglich. Am nächsten Morgen ist nach dem Frühstück Sightseeing im Ort angesagt. Die kleinen Straßen mit ihren weiß getünchten Häusern erinnern ein wenig an Griechenland. Im Hafen ist Hochbetrieb. Fischer landen ihren Fang an, verkaufen teilweise direkt vom Kutter an wartende Insulaner und Touristen.
Belle Île

Heute heißt es Schwimmwesten anlegen, denn der Flug zur Belle Île führt nonstop über Wasser, zirka 50 Seemeilen mit Kurs Nordnordwest. Nach einer Ehrenrunde über die Insel überlassen wir das Steuern dem Autopiloten und konzentrieren uns auf den Funk. Da die Militärflieger von Lorient gerade Mittagspause haben, müssen wir keinen Umweg fliegen. Die freundlichen Lotsen schicken uns direkt Richtung Belle Île, und nach 20 Minuten kommt die Insel in Sicht. Blauer Himmel und Sonnenschein – wie geschaffen für ein paar Fotorunden über dem kristallklaren Wasser, den zahlreichen Felsbuchten und kleinen Dörfern. Bei der Landung ist Konzentration angesagt, denn mit 650 Metern ist Belle Île der kürzeste Platz unserer Tour, und die Mooney will hier mit präzise eingehaltener Geschwindigkeit angeflogen werden. Glücklicherweise ist der Anflugsektor hindernisfrei, so dass wir uns etwas „reinschleppen“ können. An diesem Tag ist der Turm unbesetzt, aber dank „Auto-Information“ und Blindmeldungen ist das in Frankreich „pas de problème“.
Das kleine Flugplatzgebäude ist dennoch geöffnet, und ein Clubmitglied verkauft uns erst mal zwei Bier, mit denen wir auf den gelungenen Flug anstoßen und unseren weiteren Tag planen.
Wir machen uns gleich auf Richtung Südostküste, wandern einige hundert Meter an einer Meeresbucht entlang und finden einen Picknickplatz, an dem wir uns Baguettes mit Käse, Salami und Pastete schmecken lassen.
Ende Juni profitieren wir zwar von tollem Wetter, doch die Insel ist noch nicht so überlaufen, wie das im Juli und August während der französischen Sommerferien der Fall ist. Daher finden wir auch in Le Palais schnell ein Hotel. Das „Le Galion“ ist zwar nicht ganz so charmant wie unser „L’Escale“ auf der Île d’Yeu, aber für eine Nacht kein Problem. Wir nutzen den Abend für einen Ausflug nach Sauzon. Nach dem Besuch an der Westspitze der Insel essen wir in dem malerischen Ort. Die Meeresfrüchte-Platte für zwei ist erstklassig: Austern, Muscheln und Krabbenfleisch satt. Am nächsten Morgen gönnen wir uns nur ein kleines Café-und-Croissant-Frühstück am Hafen, wo Fähren fast im Minutentakt die Wochenendbesucher abladen. Wir schlendern über den Markt, kaufen bretonischen Salzkaramell und fahren gegen Mittag zum Flugplatz, wo inzwischen eine ganze Armada von Wochenendtouristen, eingefallen ist, mit Flugzeugen wie der Piper PA-18 bis hin zum Jetprop.
Île d’Ouessant

Wieder legen wir unsere Schwimmwesten an, denn unsere Strecke zur Île d’Ouessant führt uns diesmal an der bretonischen Südküste erst an Quimper vorbei und dann über Brest zur Inselwelt vor der Westküste der Bretagne. Da noch eine leichte Dunstschicht vorhanden ist, steigen wir auf FL 70. Spätestens an der Küste bleibt diese jedoch zurück und wir haben einen tollen Blick auf die grünen Hecken der Bretagne. Jede Menge Segelboote sind in den Buchten unterwegs, auch für Wassersportler ist dies ein perfektes Wochenende.
Die Île d’Ouessant ist zwar nur knappe fünf Kilometer lang, hat aber als rauer Posten am Anfang des Ärmelkanals auch heute noch strategische Bedeutung. Zahlreiche majestätische Leuchttürme zeugen von den Gefahren für die Schifffahrt und eine große Radarstation von militärischer Präsenz. Bevor wir den Platz erreichen, überfliegen wir noch die vorgelagerten kleinen Inseln, die teilweise bewohnt sind und eine Art Landbrücke in Richtung Bretagne bilden. Sie können aber nur per Schiff oder Hubschrauber erreicht werden. Die Île d’Ouessant wird zwar auch mit dem Schiff bedient, die Air Finistère unterhält aber auch einen gutgehenden Liniendienst mit Cessna Caravans. Der Anflug auf die 900-Meter-Bahn gelingt problemlos, und wir stellen unsere Mooney neben drei anderen Maschinen ab, die wir bereits auf der Île d’Yeu getroffen hatten. Auch unsere französischen Fliegerfreunde scheinen diese Inseln besonders zu mögen.
Glücklicherweise finden sich am Flugplatz noch zwei etwas klapprige Leihfahrräder, denn zu Fuß wäre der Weg in den einzigen Ort doch etwas lang, und es gibt nur ein einziges Taxi auf der Île d’Ouessant.
Werner und ich erkunden auf Drahteseln die Insel. Entlang der grobsteinigen Mauern entdecken wir Aussichtspunkte mit schönem Blick auf die Bucht. Ein Abendessen im Restaurant „Ty Korn“ beschließt unseren gemeinsamen Abend.
Am kommenden Morgen trinken wir noch einen Kaffee, bevor wir bei blauem Himmel und Sonnenschein zum Flugplatz radeln. Die Vorbereitungen dauern nicht lange, und wir sind kurz nach Mittag wieder in der Luft. Entlang der bretonischen Nordküste fliegen wir über Morlaix und Lannion nach Dinard, wo wir einen Tankstopp einlegen wollen. Unterwegs sichten wir wieder Dutzende kleiner Buchten, romantische Häfen und immer wieder Schlösser.
Anflug auf Dinard. Der große Platz ist am Sonntagnachmittag fast verwaist. Außer zwei englischen Privatmaschinen, die hier von den Kanalinseln kommend Zoll machen, ist nicht viel los. Unter der Woche landen jedoch einige „Low Coster“ hier, bringen Touristen in die Bretagne und zum nahen Mont Saint Michel. Das Tanken funktioniert zügig, einzig unser Weg auf den Tower zwecks Wetterberatung für den Rückflug ist sehr bürokratisch. Gut, dass Werner ein Handfunkgerät dabei hat, mit dem wir den Towerlotsen nach den nächsten Schritten und Zutrittscodes fragen können. Die Wetterlage für den Rückweg ist durchwachsen. Zwar können wir problemlos VFR zurückfliegen, doch Werner und ich haben eigentlich keine Lust auf drei Stunden in 3.000 Fuß.
Heimreise

Wir entschließen uns erst mal zu einem Direktabflug an der Küste in 3.000 Fuß, um den Mont Saint Michel zu sehen. Da sich um das Kloster herum jedoch ein Sperrgebiet befindet, dürfen wir nicht direkt darüber fliegen, und so können wir die ganze Pracht des „Felsens in der Atlantikbrandung“ nur erahnen. Wir gehen dann „VFR on top“, steigen durch ein Wolkenloch auf FL 85 und melden uns erst bei Brest, dann bei Paris FIS an. Ein Direktflug zum VOR-Funkfeuer MTD wird zuerst genehmigt, dann aber müssen wir um den Großraum Paris doch etwas weiter im Norden herumfliegen. Zum Glück ist es kein so großer Umweg wie auf dem Hinflug, und nach dem Sinkflug auf FL 75 geht’s dann auch gleich Richtung Luxemburg. Immer wieder tun sich Wolkenlöcher auf, einmal erhaschen wir einen Blick auf Reims. Kurz nach Passieren der Grenze nach Deutschland geht die Bewölkung dann fast ganz zurück, und wir können entspannt nördlich von Ramstein unseren Sinkflug Richtung Worms beginnen. Das Rheintal begrüßt uns ebenfalls mit herrlichem Sonnenschein.
Einige Wochen später sitze ich wieder im Cockpit einer Boeing 767 mit dem Ziel Dominikanische Republik. Beim Überflug der französischen Atlantikküste kommen wir direkt zwischen Île d’Yeu und Belle Île vorbei. Ich kann die Landebahnen jeweils gut erkennen: „Da kann man wunderbar landen“, sage ich zu meinem Copiloten und ernte ungläubige Blicke, als ich ihm die kleinen Flugplätze aus FL 370 zeige.
Informationen zur Reise
Kartenmaterial: Jeppesen VFR/GPS-Karten LF-1, LF-2, LF-3, LF-4;
Lido-IFR-Chart EU-4L. Anflugkarten Frankreich entweder bei
Jeppesen als Tripkit bestellen oder ausdrucken nach einer kostenlosen Registrierung bei Eurocontrol für das PAMS Light Tool unter: www.ead.eurocontrol.int/publicuser/public/pu/login.jsp
Lande- und Abstellgebühren: 15 Euro in Nantes (auf teures
Handling sollte man verzichten), je 16 Euro auf der Île d’Yeu und
der Belle Île, 13 Euro auf der Île d‘Ouessant (jeweils inklusive einer Nacht Parken), 12 Euro in Dinard
Hotels/Unterkünfte: 68 Euro im „L’Escale“ in Port Joinville/Île
d‘Yeu (inkl. Frühstück), je 45 Euro im „Le Galion“ in Le Palais/Belle Île und im Hotel „Le Fromveur“ in Lampaul/Île d’Ouessant (jeweils ohne Frühstück).
aerokurier Ausgabe 12/2010